Seit 70 Jahren im Einsatz für ein vereintes Europa

Beim diesjährigen Europa-Forum feierten wir gemeinsam mit unseren Gästen das 70-jährige Bestehen unserer Europaverbände – EFB und JEF Steiermark.

Von 11. bis 13. Juli 2025 luden die EFB Steiermark und die JEF Steiermark zum 68. Mal auf die Europaburg in der Marktgemeinde Neumarkt in der Steiermark ein. Unter dem Motto „Die Welt im Umbruch – Reifeprüfung für Europa“ diskutierten wir gemeinsam mit Expertinnen und Experten drängende Fragen unserer Zeit: Wie kann Europa seine globale Rolle stärken und sich unabhängiger von den Großmächten positionieren? Was bedeutet echte Chancengleichheit in Europa – ist sie erreichbar oder nur ein Wunschtraum? Kann Europa als sicherer Hafen in unsicheren Zeiten bestehen? Und wie steht es um eine nachhaltige und vernetzte Mobilität?

Den Auftakt des Forums bildete – wie in den Vorjahren – ein gemeinsames Abendessen im Innenhof der Europaburg. Anschließend begrüßte Anne Favre, geschäftsführende Landesvorsitzende der EFB Steiermark, im AudiMax-Saal das Publikum, das nicht nur aus Österreich, sondern auch aus Deutschland, Ungarn und Dänemark angereist war, und eröffnete das Europa-Forum.

Direkt im Anschluss sprach Favre in der ersten Diskussionsrunde mit dem stv. Leiter der EU-Kommission in Österreich Christian Wigand über die aktuellen “Prioritäten der neuen EU-Kommission”. In seiner einleitenden Stellungnahme stellte Wigand Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit als zentrale Ziele der Kommission vor: Zum einen solle Europa durch gelockerte Budgetregelungen in den nächsten fünf Jahren verteidigungsfähig werden; zum anderen solle durch die gezielte Umsetzung der Vorschläge aus dem Draghi-Bericht (u.a. Bürokratieabbau, Industriepaket, horizontale Binnenmarktstrategie) die Wettbewerbsfähigkeit der EU gesteigert werden. Hinsichtlich der Umsetzbarkeit der genannten Prioritäten zeigte sich Wigand v.a. in punkto Bürokratieabbau zur Einsparung von Verwaltungskosten zuversichtlich. Aus dem Publikum wurden schließlich Fragen zum Stellenwert der Migrations- und Klimaschutzpolitik innerhalb der aktuellen Kommissionstätigkeit gestellt sowie zur Vereinbarkeit der Sicherheitsagenda mit sozio-ökologischen Themen und zu individuellen Mitgestaltungsmöglichkeiten.

In den Haupttag des Europa-Forums (12. Juli) starteten wir mit einer Diskussionsrunde zum Thema „Auf der Suche nach europäischer Souveränität“ mit Andreas Lieb, EU-Korrespondent der Kleinen Zeitung, und Friedhelm Frischenschlager, ehem. Verteidigungsminister, MEP a. D. (LIF) und Vizepräsident der EBÖ. Die von Christoph Grossegger (EFB Steiermark) moderierte Diskussion begann mit einem Überblick von Frischenschlager zu den unterschiedlichen Begriffsverständnissen von Souveränität, die sukzessive als staatsrechtlicher und politischer Begriff und später auch als Kampfbegriff verwendet wurde. Nach einer kurzen Erläuterung der unterschiedlichen Phasen europäischer Souveränität, die nach anfänglichen Jahren der Euphorie immer stärker in Richtung Ablehnung von Supranationalität wandert, bestätigte Andreas Lieb in seinem ernüchternden Lokalaugenschein die Einschätzung Frischenschlagers. Erklärungsansätze für die aktuellen Renationalsierungstendenzen sieht Lieb zum einen in den seit den letzten Wahljahren veränderten Kräfteverhältnissen in der EU und vielen Nationalstaaten, im Mangel an Führungspersönlichkeiten, den Polykrisen und v.a. der passiven Rolle der EU gegenüber den USA. Die Diskussion mündete in der Forderung nach einer erneuten Zusammenarbeit von Staaten und pro-europäischen Parteien insbesondere im Osten Europas. In der Fragerunde ging es schließlich u.a. um die verbesserungswürdigen Kommunikationsstrategien der Kommission und die Rolle der Medien bei der Verbreitung von Nachrichten aus Brüssel insbesondere mit Hinblick auf die Lokalebene. 

In der zweiten Diskussionsrunde am Samstagvormittag unter dem Titel „Europas Mobilität – auf Schiene?“ konversierte Manuel Pirker (JEF Steiermark) mit Franz Nauschnigg, Experte für Infrastrukturprojekte, und Wolfgang Moitzi, Bereichssprecher für Mobilität und Infrastruktur der SPÖ. Am Beginn ihres Gesprächs standen die Investitionsversäumnisse der letzten Jahr(zehnt)e im Bereich der europäischen Schieneninfrastruktur und die mangelnde Interoperabilität der länderspezifischen Schienensysteme, die ursprünglich zu Sicherheitszwecken uneinheitlich konzipiert worden waren. Hiernach thematisierten Nauschnigg und Moitzi die Herausforderungen der Umstellung des Güterverkehrs auf die Bahn sowie die Möglichkeit, mit den aktuellen Sicherheitssausgaben auch verteidigungsrelevante Infrastrukturinvestitionen zu tätigen. Nauschnigg wies ferner darauf hin, dass ein funktionierender Schienenverkehr nicht nur für die militärische Sicherheit Europas, sondern auch für die Versorgungssicherheit der europäischen Bevölkerung hochrelevant sei. In der offenen Diskussion spannte sich der Bogen an interessierten Fragen von der allgemeinen Katastrophenresilienz des europäischen Schienenverkehrs über die Nutzung von Wasserstofftechnologien bis hin zu mittel- und langfristigen Regionalverkehrsperspektiven, wobei auch Ideen zur alternativen Ticketpreisgestaltung aufgeworfen wurden. 

Direkt nach der Mittagspause leitete Lisa Kaum (EFB Oberösterreich) die dritte und letzte Diskussionsrunde des Tages zum Thema „Chancen(un)gleichheit am europäischen Arbeitsmarkt“ mit Sandra Konstatzky, Leiterin der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW), und Karin M. Schmidlechner, Gender- und Zeithistorikerin an der Universität Graz. Zunächst erläuterte Konstatzky die Aufgabenbereiche der GAW, die in der individuellen Beratung und Unterstützung bei einem der folgenden Diskriminierungsgründe liegen: Geschlechterdiskriminierung und Sexismus, rassistische Diskriminierung, sexuelle Belästigung, Altersdiskriminierung, Diskriminierung von LGBTQIA+ sowie aufgrund der Betreuung und Pflege von Kindern/Angehörigen oder wegen der Religion bzw. Weltanschauung. Schmidlechner zeichnete die historischen Ursachen struktureller Ungleichheit von Frauen in Gesellschaft und Arbeitswelt nach, deren Ursprünge bis zu Aristoteles zurückreichen, der die ‚Frau als mangelhaften Mann‘ betrachtete. Weitere Gründe für die bis heute anhaltende Ausgrenzung von Frauen sind dabei in ihrem Ausschluss aus den (Aus)Bildungssystemem und der Trennung von Arbeit und Familie mit der Entwicklung der Lohnarbeit zu suchen. In der Fragerunde adressierten die beiden Expertinnen u.a. spezifische EU-Maßnahmen zur Beseitigung dieser Ungleichbehandlungen (wie z.B. die Gewaltschutz– oder Women-on-BoardsRichtlinie), die jedoch von den Mitgliedstaaten zielgerichtet und unter Verbindung von wirtschaftlichen mit sozialen Aspekten umgesetzt werden müssten.

Am Samstagabend begrüßten Peter Rindler, stv. Landesvorsitzender der EFB Steiermark, und Clarissa Trummer, Landesvorsitzende der JEF Steiermark, im Raiffeisensaal der Marktgemeinde Neumarkt/Stmk zahlreiche Ehrengäste. Besonders freuten wir uns über die Videobotschaft des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen anlässlich des 70-jährigen Bestehens unserer Europaverbände in der Steiermark. Hiernach begrüßten Bürgermeister Josef Maier (ÖVP) und ‚Burgherr‘ und EYFON-Präsident Christoph Leitl die Gäste. Abschließend ergriff Helene Salzburger, stv. Vorsitzende von JEF Deutschland das Wort, die alle Anwesenden dazu aufrief, die von JEF Deutschland initiierte #DontTouchMySchengen-Aktion zu unterstützen, die sich für den Erhalt offener Binnengrenzen stark macht. 

Als Ehrengast durften wir dieses Jahr Irmgard Griss, Politikerin, Juristin und ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, willkommen heißen. In ihrem Impulsvortrag erinnerte Griss zunächst an die Errichtung der Europäischen Union als demokratisches Werteprojekt, wobei sie v.a. die Rolle der EU als Hüterin der Menschenrechte, der Sicherheit und unserer Freiheit betonte. Diese Werte würden von den meisten heute als selbstverständlich erachtet, sie benötigen jedoch beständige Unterstützung von politischer, medialer und individueller Seite. Griss appellierte deshalb zum einen an die heimischen Politiker:innen und Medien, die zahlreichen positiven Seiten der EU für die EU-Bürger:innen in ihren Reden und Berichten hervorzuheben anstatt mit Negativschlagzeilen auf Stimmenfang zu gehen und auf höhere Einschaltquoten zu hoffen. Andererseits appellierte sie an jede:n Einzelne:n im Saal, in persönlichen Gesprächen immer wieder die Vorteile hervorzuheben, die uns die Europäische Union auf individueller Ebene gebracht habe. Die Erasmus+-Projekte für Schüler:innen, Lehrlinge und Studierende sowie die Jugendbegegnungen auf der Europaburg Neumarkt seien nur einige Beispiele dafür. Sie schloss ihren Vortrag mit einer Handlungsaufforderung, denn, so Griss, “Europa ist schließlich das, was wir daraus machen. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Europa!

Am Ende des offiziellen Teils der Veranstaltung stand die Europahymne, interpretiert von der Steirischen Band Graupurgunder, die den gemütlichen, kulinarischen Teil des Abends musikalisch untermalte. 

Am Sonntag, dem 13. Juli, stand für die Mitglieder der EFB und der JEF Steiermark ein Ausflug nach Friesach am Programm, bei dem wir bei strahlendem Sonnenschein die mittelalterliche Stadt mit Heroldinnen und Herolden erkundeten.

Die EFB und JEF Steiermark haben sich in den vergangenen 70 Jahren als laute und kraftvolle Stimmen im Reigen der Europavereine innerhalb und außerhalb Österreichs etabliert. Diese Tradition wollen wir mit der Unterstützung unserer Mitorganisator:innen, Fördergeber:innen und Teilnehmer:innen – denen wir herzlich danken – natürlich auch in den kommenden Jahren fortführen. Gemeinsam freuen wir uns schon auf das Europa-Forum 2026!

This project is co-funded by Erasmus+ and Land Steiermark.

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